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Der Seegarten

Freie Internationale Akademie Amorbach e.V.

Der Seegarten

Blickt man vom Rand des Schloßplatzes nach Südwesten, über die leicht abfallende Wiese und eine Gruppe für sich stehender Bäume auf den Weiher hinab und über ihn hinweg, so sieht man den Seegarten in seiner ganzen Erstreckung. Der Standpunkt, der diese Sicht erlaubt, liegt in dem „kleinen, überschaubaren Abschnitt“, den die Vedute freigegeben hat.

Seegarten heute

Bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Areal vom Obst- und Gemüsegarten und den Fischteichen des Klosters eingenommen. Ein Plan von 1790 zeigt, wie dicht gepackt Spargel- und Gemüsepflanzungen, Wiesen- und Baumstücke, Mistbeete, ein Treibhaus, eine Orangerie, ein Blumengärtchen, eine Bohnenallee, ein Hopfendamm usw. und sieben Teiche beieinander liegen: eine offensichtlich intensive Ökonomie. Infolge der napoleonischen Säkularisation und des Reichsdeputationshauptschlusses vom 25. Februar 1803 fällt Amorbach an das Fürstenhaus Leiningen. Der neue Landesherr Karl Friedrich Wilhelm zu Leiningen löst am 2. März 1803 die Abtei auf. In der folgenden Zeit versucht er mit großem Elan die ehemals mainzischen, würzburgischen und pfälzischen Landesteile im neuen Fürstentum zu einen. Trotzdem gerät auch eine kleine Angelegenheit, wie der ehemals klösterliche Ökonomiegarten, nicht aus dem Blick. Bereits am 27. Oktober 1803 bittet der Fürst den badischen Staatsminister von Geiling „‘Sckell mit seinem Rath und Kenntnissen benützen zu dörfen, welcher ehemals meinen Garten zu Dürckheim angelegt hat und zu welchem ich ein vorzügliches Vertrauen habe.᾿ Er soll das „Lokale“ in Amorbach einsehen und die Anlage entwerfen.“ [Kellner, Seegarten, S. 10] Friedrich Ludwig Sckell war damals Hofgärtner in Schwetzingen und Gartendirektor der kurfürstliche Gärten der Pfalz und Bayerns. 1804 wird er Hofgartenintendant in München, wo er den Englischen Garten vollendet und in Nymphenburg den barocken Schloßgarten mit einem Landschaftsgarten verbindet. Sckell liefert „die Anlage“ und 1806/07 beginnt die Arbeit, 1817 wird die Umgestaltung vollendet.

Sckells Plan

Geht man von dem bisher gewählten Blickpunkt am Rande des Schloßplatzes in den Garten hinein zum Fischhaus und an ihm vorüber, so sieht man auf dem Wiesengrund zum See schöne Baumgruppen. Der schmale Weg führt an einem steil ansteigenden Hang mit Gebüsch und Bäumen entlang. Oben führt die Straße nach Kirchzell. Man kann sie nicht sehen (nur hören). Die mittelgroßen und größeren Bäume überragen sie und schließen sich, für den Spaziergänger, mit den Bäumen jenseits der Straße zusammen.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Weihers führt der Weg hart am Ufer entlang und zurück zum nördlichen Ende des Gartens. Von Gebüsch gedeckt und von Bäumen überragt, läuft hier eine Mauer entlang und trennt den Garten von der Mud. Aber man kann diese Trennung nur auf einem Lageplan, erkennen, oder vielleicht einmal im Winter nach Blätter- und Schneefall. Die Pflanzweise, Gruppierung und Verbindung der Bäume und Sträucher überspielt die Trennung und macht sie unsichtbar, mehr noch, sie zieht den steil ansteigenden Wald des Wolkmann, jenseits der Mud,in den Garten herein.

Der Seegarten hebt sich nicht von der Landschaft ab, die ihn umgibt. Er gewinnt seine Gestalt nicht, indem er sich von ihr abgrenzt, sondern sich mit ihr verbindet.

Sckell hat in seinem Buch Beiträge zur bildenden Gartenkunst (1818) diesen Grundzug des Landschaftsgartens bis in die Details der Platzwahl, der Planung, der Vorbereitung der Anlage, der Wahl der Pflanzen und der Pflanzweise ausgeführt. „Vor allen Dingen benütze der Gartenkünstler aber die äußeren Naturschönheiten [...]: You must call in the Country, sagt Pope: I h r   m ü ß t   d i e   ä u s s e r e   L a n d s c h a f t   h e r e i n r u f e n.“ [Beiträge S. 45]

Wie aber kann man die äußeren Naturschönheiten in ein beschränktes Gartenareal hereinrufen? An der West- und Ostseite des Seegartens mit ihren Übergängen in die Waldungen des Wolkmann und den Abhang des Beuchener Bergs drängt sich diese Frage nicht auf, um so deutlicher aber an der südlichen, von Osten nach Westen verlaufenden Grenze.

Die Eingrenzung auch einer kleinen, beschränkten Anlage und die Ausgrenzung der natürlichen Umgebung widersprechen dem Charakter des Landschaftsgartens. Sckell bringt in seinen Beiträgen die englische Lösung ins Spiel, die sogenannten Hahas, das sind Grenzgräben im Boden, die man nur gewahrt, wenn man kurz vor ihnen steht (sunk fences). Der Gartenkünstler, schreibt er „wende vorzüglich die Haha‘s, die keine Grenze, keinen Schluß wahrnehmen lassen dürfen, da an, wo seiner Gartenparthie an Ausdehnung mangelt. Da verbinde er das Schöne der äußern Landschaft mit seiner beschränkten Garten-Anlage und täusche mit ihrer Beschränktheit.“ [Beiträge S. 63] Im Seegarten wurde diese Lösung nicht wortwörtlich angewendet. Die große Wiese südlich des Weihers wird nicht durch ein Haha markiert. An dessen Stelle steht ein Zaun, der jedoch so leicht zu durchschauen und zu übersehen ist, daß er „keine Grenze, keinen Schluß“ wahrnehmen läßt, sondern den Blick ins Tal der Mud freigibt, zwischen Wolkmann und dem Beuchener Berg hindurch, an der Pulvermühle und dem Glasbrünnlein vorbei und auf Buch und die Burg Wildenberg zu. Wie weit reicht der Blick in die schöne äußere Landschaft und täuscht einen über die Beschränktheit des Gartens? Er reicht bis dorthin, wo man nichts bestimmtes Dingliches mehr unterscheiden kann, ins Unabsehbare.

Text: Friedrich A. Uehlein
Fotos: Fürstenhaus zu Leinigen, abbarchiv

 

 

The Seegarten

When looking from the verge of the Schlossplatz towards the south-west, across the lightly sloping meadow and a group of singly spaced trees, onto the small lake and across it, you can see the Seegarten in its entire expansion. The position which allows this view lies in the “small, immediately apprehensible segment” which the vista has opened.

Until the 19th century the area was taken in by the fruit and vegetable garden and the fishponds of the monastery. A plan from the year 1790 shows how densely packed the asparagus and vegetable beds, small meadows and orchards, hotbeds, greenhouses and an orangery, flower beds, a bean alley, a dam with hop poles etc. and seven ponds were situated: an obviously intensive economy.

As a result of the Napoleonic secularization and the Main Deputation Act of the Reich dated February 25, 1803 Amorbach is given to the Principality of Leiningen. The new sovereign, Karl Friedrich Wilhelm zu Leiningen, dissolves the Abbey on March 2, 1803. During the following years, he tries with great élan to unite within the new Principality the districts which had formerly been under the jurisdiction of Mainz, Würzburg and the Palatinate. Nevertheless, even a small matter like the former abbey᾿s economy garden doesn’t᾿t slip his mind. Already on October 27, 1803, the Prince asks von Geiling, State minister of Baden, to employ “Sckell with his advice and know-how, who formerly had designed my garden in Dürckheim and whom I trust formidably”. He is to inspect the “locality” in Amorbach and to design the park. [Kellner, SEEGARTEN, p. 10]. Friedrich Ludwig Sckell was, at the time court gardener in Schwetzingen and chief gardener of the Palatinate and Bavaria. In 1804 he is named Royal gardening director in Munich, where he finishes the //English Garden// and connects the baroque garden in Nymphenburg to a scenic landscape garden. Sckell delivers the “design”. Works start in 1806/1807 and in 1817 the transformation is completed.

When you walk from the so far chosen point of view at the top side of the Seegarten into the park toward the Fischhaus and past it, you see on the meadow beautiful groups of trees. The narrow path leads alongside a steep slope with bushes and trees. Above it the road to Kirchzell runs along. It is invisible, since the medium and larger trees overtop it and build for the eyes of the walker a unity with the trees beyond the road.

At the opposite side of the lake the way runs close to the water and leads back to the Schloßplatz. Covered by bushes and overtopped by trees there is a wall which separates the park from the river Mud. But you see this separation only on a plan or perhaps sometime in the winter after leaves and snow have fallen. The planting method, the grouping and connection of the trees and bushes conceal the separation, making it invisible, and even more, they integrate the steep rising forest of the Wolkmann, across the Mud, into the park.

The Seegarten doesn’t contrast with the landscape surrounding it, but integrates itself into it. Sckell explained in his book Beiträge zur bildenden Gartenkunst (1818) this basic character of landscape parks right into the details of choice of place, the planning and preparation of the garden, the choice of plants and planting method. „Above all else, the gardening artist ought to use the surrounding beauties of nature [...]: You must call in the Country, is what said Pope: Y  o u   m u s t   c a l l   i n   t h e   e x t e r i o r   l a n d s c a p e.” [Beiträge S. 45]

But how can one call into a limited garden area the outer beauties of nature? On the west- and eastern borders of the Seegarten with their transitions into the woods of the Wolkmann and the declivities of the Beuchener Berg this question doesn’t suggest itself, the more so on the southern border which runs east-westerly. The confinement of even a small, limited park and the exclusion of the natural environment contradict the character of the landscape park. Sckell introduces in his Beiträgenthe English solution to this problem, the so called“Hahas”, which are borderline ditches in the ground which you only notice when you stand almost in front of them (sunken fences).

The garden artist, he writes, „ought to use the Haha’s, which mustn’t have any noticeable border, no ending, in those places where his garden part is lacking expansion. There he should combine the beauty of the surrounding landscape with his limited gardening part and thus delude by its restriction.” [Beiträge S. 63] In the Seegarten this solution was not literally employed. The large meadow south of the lake is not marked by a Haha. In its place there stands a fence which, however, is so easily seen through and overlooked that it doesn’t allow any perception of a border or ending to arise, but instead opens the view into the valley of the Mud, between Wolkmann and the Beuchener Berg and past the Pulvermühle and the Glasbrünnlein, and towards Buch and the castle Wildenberg. How far does the sight of the beautiful landscape reach and deceives us about the limitation of the park? It reaches up to a point where anything concrete becomes indistinguishable.

Text: Friedrich A. Uehlein,
Translation: Annette Allwardt